Marcelle

Von: Simone de Beauvoir

Design: Lisa Benk

Übersetzer*in: Uli Aumüller

Seitenzahl: 64

Ich bin nicht wie die anderen“, sagte sie sich ­leidenschaftlich. Sie erhob sich, stieß die Läden auf und ging auf den Balkon. Über Paris spannte sich ein Himmel in der Farbe von Herbstzeitlosen. Die Nacht war so süß, dass Marcelles Herz ­schneller zu schlagen anfing. Sie dachte an ­Madame de Staël, an Georges Eliott, an die ­Comtesse de Noailles. Da offenbarte sich ihr plötzlich wie durch ein Wunder ihr Schicksal. ­ „Ich werde die Gefährtin eines genialen Mannes sein“, murmelte sie ekstatisch.

Marcelle ist eine von fünf Erzählungen über eine Gruppe junger Frauen im Paris der 1920er-Jahre. Der Text stammt aus dem ersten belletristischen Werk von Simone de ­Beauvoir (1908–1986), entstand ­bereits 1937 und wurde in Frankreich erst 1979 ­veröffentlicht. Er zeigt, nicht minder eindrucksvoll als die ­philosophischen Texte, die besondere Mischung aus empathischer Analyse, Gesell­schaftskritik und sprachlicher Eleganz der berühmten Feministin.